Blutegeltherapie

Blutegeltherapie

Die Blutegeltherapie gehört zu den ältesten Heilmethoden der Medizingeschichte. Die erste Überlieferung stammt aus der indischen Medizin und die umfangreichste Darstellung findet sich bei Sushruta (ca 600 v. Chr.) Die Basis hierzu bildete die Säftelehre (Humoralpathologie), die von der Überzeugung ausgeht, dass Krankheitsursachen hauptsächlich in den flüssigen Substanzen (den Säften) des Körpers und deren Ungleichgewicht zu suchen sind. Mit dem heutigen Wissen findet dieses „Denken“ wiederkehrende Anerkennung, denn schließlich transportiert das Blut die Nährstoffe und somit auch die Schadstoffe, die im Organismus in jeden winzigen Teil unseres Körpers gelangen. Innerhalb der Humoralpathologie hatten die Blutegel feste Indikationsgebiete. Im 19. Jahrhundert kam es zu einer gesteigerten Intensität der Anwendung (sog. Zeitalter des „Vampirismus“). Für eine Behandlung wurden bis zu 100 Blutegel eingesetzt, so dass nicht nur der Blutegel beinahe ausgerottet wurde, sondern die Patienten in Folge des großen Blutverlustes starben. Weiterhin sorgte der Niedergang des humoralpathologischen Denkens, ersetzt durch die Virchow´sche Zellularpathologie (die Lehre, nach der Krankheiten auf Störungen der Körperzellen bzw. ihrer Funktionen basieren), für einen rückläufigen Therapieeinsatz der Blutegel. Im Jahr 1884 entdeckten Forscher im Speichel des Blutegels eine blutgerinnende Substanz und 1904 wurde nach chemischer Isolierung der Wirkstoff Hirudin bekannt. Die Wirkung des Blutegels ließ sich somit als chemischer Prozess deuten und nachvollziehen, welches die Blutegeltherapie dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Verständnis annäherte.

Es gibt rund 600 Blutegelarten, wovon nur 15 als Heilmittel verwendet werden. Die Blutegel mit den medizinischen Wirkstoffen im Speichel sind offizielle Arzneimittel und daher ausschließlich in Apotheken erhältlich. Hierzu gehört der in der Behandlung verwendete Hirudo verbana und der Hirudo medicinalis aus der Biebertaler Blutegelzucht. Fossilfunde aus dem Jura zeigen, dass der Blutegel als Grundmodell schon sehr früh die Erde bevölkerte und bis heute von der Natur scheinbar zielorientiert verfeinert wurde, um eine Symbiose zwischen Täter (Blutegel) und Wirt entstehen zu lassen. Der Speichel des Blutegels, die Saliva, enthält heilende Wirkstoffe, die der Wirt im Laufe der Zeit als Therapeutikum schätzen lernte und somit nicht mehr unzufällig an den Ort des Geschehens zurückkehrte. Man kann gelenkkranke Rinder dabei beobachten, wie sie blutegelreiche Gewässer aufsuchen und dort verweilen, also sich absichtlich beißen lassen, um anschließend wesentlich leichtfüßiger den Schauplatz zu verlassen. Bis heute vermutet man, dass die Saliva aus ca 200 Substanzen besteht, die zusammen wirken. Bis heute konnten 30 Teilsubstanzen bestimmt werden, wobei nur 8 dieser Teilsubstanzen in Struktur und Wirkung aufgeklärt sind. Hierzu gehören LDTI, Antistasin/Hirustasin, Eglin, Bdellin, Saratin/Calin, Hirudin, Histamin, Hyaluronidae und Kollagenase, die uns folgendermaßen nutzen:

* Schnelle / anhaltende Entlastung
* Verbesserte Durchblutung
* Verbesserte Entgiftung/ Entschlackung
* Verbesserte Zellernährung
* Abtransport von altem Zellmaterial
* Beschleunigung aller Heilungsprozesse
* Förderung der Durchblutung
* Förderung des venösen Abflusses
* Förderung des Lymphstroms
* Antibiotische Wirkung
* Schmerzlindernde Wirkung
* Entzündungshemmende Wirkung

Die Liste der Einzelindikationen für die Blutegeltherapie ist lang und rückt das Verfahren unkritisch in den Mittelpunkt als universales Heilmittel. Die moderne Medizin hat sich viel von den Blutegeln abgeschaut und chemische Analoga zu den Wirkstoffen im Blutegelspeichel auf den Markt gebracht. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die Kombination der Wirkstoffe den eigentlichen Nutzen ausmacht. Der Blutegel heilt während der Nahrungsaufnahme den Wirt – eine wahre evolutionäre Meisterleistung!

Die Blutegeltherapie kann sehr zeitaufwendig sein, weil die Egel erst den passenden Platz zum arbeiten suchen. Die praktische Erfahrung zeigt, dass ein Zeiteinsatz von ca 2-3 Stunden einzuplanen ist. Blutegel dürfen nicht gewaltsam entfernt werden, da hierdurch die Gefahr einer Sekundärinfektion für die Wunde besteht. Diese Therapieform verlangt von Therapeut, Besitzer und Patient Ruhe und Geduld. Der Biss fühlt sich an wie der Kontakt mit einer Brennessel und tritt danach in den Hintergrund. Die Tiere entspannen sich in der Regel, sobald der Blutegel seinen Platz gefunden hat.


Quelle: BBEZ / Michalsen / Roth
Bilder: Nadine Bungarz
Naturheilkunde/Alternativmedizin * 3-Säulen-Therapie
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